Pergolesi: "La serva padrona"
140. Veranstaltung der
Humboldt-Gesellschaft am 14.06.02 von Steffen
Seiferling (Gastvortrag)
"La serva padrona"
von Giovanni Battista Pergolesi (1710-1736)
Einen Großteil seines Ruhms verdankt Pergolesi den beiden
musikalischen Komödien und den beiden Intermezzi, die alle
schon bei ihren ersten Aufführungen in Neapel mit
allgemeinem Jubel begrüßt wurden. Allen voran "La serva
padrona" (Die Magd als Herrin), das Intermezzo, dessen
zwei Akte in den Pausen seiner opera seria "Il prigioniero
superbo" am 28. August 1733 im Teatro San Bartolomeo
erstmals auf die Bühne gelangten.
Pergolesis "La
serva padrona" ist das bekannteste komische
Intermezzo. Die zwei oder drei Teile dieser kleinen
Stücke wurden zwischen die Akte großer heroischer
Barockopern eingeschoben. Sie wurden, was nicht immer der
Fall sein muß, vom selben Komponisten wie die dazugehörige
opera seria verfaßt. "La serva padrona" bildete so eine
Einheit mit "Il prigioniero superbo" eine reizvolle
Abwechslung von komischen und tragischen Szenen.
Während die Bühne für deren nächsten Akt umgebaut wurde,
spielten zwei Sänger und
Pantomimen auf dem Bühnenrand jeweils einen Teil des
Intermezzos. Jeder dieser Teile bestand in der Regel aus
zwei Arien und einem Schlussduett. Die großen Opern um
das Intermezzo herum handelten vom tragischen Konflikt
zwischen persönlicher Neigung und Staatsraison. Ein Prinz
verliebte sich etwa unwissentlich in die Tochter seines
schlimmsten Feindes. Die komischen Intermezzi dagegen
waren in der lächerlichen Sphäre derbster Bürgerlichkeit
angesiedelt: Da beklagt sich jemand, dass man ihn
stundenlang auf sein Frühstück warten lässt, eine andere
Figur frönt dem Laster des Tabakrauchens, eine dritte
Figur kann nur mit Mühe einen gigantischen Furz
zurückhalten. Der Plot der Intermezzi ist fast ausnahmslos
gleich: eine gewitzte Frau zwingt einen Mann zur Heirat.
Diese Banalität der Handlung machte Pergolesis "La serva
padrona" erst zwei Jahrzehnte nach der Entstehung
weltberühmt ("Buffonistenstreit").
Welche Merkmale unterscheiden eine Komische Oper von einem
Intermezzo? Oft ist fälschlich behauptet worden, die opera
buffa sei aus den neapolitanischen Intermezzi
hervorgegangen, und gar die "Serva padrona" stünde an
deren Anfang. Komische Opern gab es aber schon seit der
Mitte des 17. Jahrhunderts. Intermedien oder Intermezzi
- die Unterscheidung ist fließend, zumeist aber ist im
ersten Fall ein musikalisches Zwischenspiel zu einem
Schauspiel, im zweiten ein solches zu einer opera seria
gemeint - sind älter als die Oper selbst, gewinnen aber
in Neapel um 1700 lebhaftere Bedeutung.
"La serva padrona" gilt auch heute noch als Musterbeispiel
seiner Art und übertrifft viele vergleichbaren Werke seiner
Epoche an Wirkung. Erstaunlich ist dies um so mehr, als
die eingesetzten Mittel äußerst bescheiden sind: zwei
Sänger (ein Sopran, ein Baß), eine stumme Rolle, ein
Cembalo und ein Streichquartett. Das Sujet von der
listigen Dienerin, die ihren eigenbrötlerischen Herrn
dazu bringt, sie zu heiraten, ist dabei alles andere als
neu:
Uberto und Serpina leben schon
einige Jahre unter einem Dach. Wutausbrüche und wüste
Beleidigungen, Kränkungen und Mimosenhaftigkeit sind an
der Tagesordnung. Denn Serpina will Uberto heiraten. Der
aber weigert sich heftig, so dass alle Eroberungsversuche
Serpinas ins Leere laufen. Uberto bekundet gar, jede
beliebige andere Frau heiraten zu wollen. Serpina greift
zur List. Der Diener Vespone muss sich als ihr Liebhaber
ausgeben. Mit einer Abschiedsszene hofft Serpina Uberto
noch umzustimmen. Uberto ist sich über seine Gefühle nicht
im klaren: zwar liebt er Serpina, zu viele Bedenken
hindern ihn aber an einem festen Entschluss. Doch Serpina
zwingt ihn mit Vespones Hilfe, sie zur Frau zu nehmen.
Uberto hält sein Eheversprechen auch nachdem er die
Intrige durchschaut hat. Wie wird Serpinas und Ubertos
Zweisamkeit unter diesen neuen Vorzeichen aussehen?
Italienische Wandertruppen entdeckten das Stück für ihre
Gastspielreisen. "La serva padrona" wurde nach dem Erfolg
in Neapel auch in Rom, Parma, Bologna, Ferrara, Venedig,
Modena, Florenz, Graz, Dresden und Hamburg gezeigt. Es
gelangte 1746 und 1752 auch nach Paris. Was beim ersten
Besuch nur Gefallen erregt hatte, entflammte beim zweiten
helles Entzücken. Der "Buffonistenstreit" spaltete die
französische Opernszene in zwei Lager: pro und contra
"La serva padrona". Die Anhänger der Einfachheit, der
Durchsichtigkeit, der warmen italienischen Ausdrucksstärke
mit Rousseau und den Enzyklopädisten an der Spitze auf der einen Seite
und die
Verteidiger des Intellektualismus (z.B. Rameau) auf der anderen Seite. Im
Verständnis der Verächter galten
"Buffonist, Republikaner, Frondeur und nicht zu vergessen
Atheist als gleichbedeutende Begriffe". Im
Rückblick gesehen ist der Streit um die "Bürgerlichkeit"
der Intermezzi ein Vorschein der sozialen
Auseinandersetzungen, die in die französische
Revolution mündeten.
La serva padrona
Intermezzo comico per musica in 2 Teilen
Text: G.A. Frederico (in deutscher Fassung)
Musik: Giovanni Battista Pergolesi
Premiere: Sa. 22.06.2002, 16:00 Uhr
Matinée: So. 23.06.2002, 11:00 Uhr
Zitadelle Spandau, Gotischer Saal
Serpina: Dorothea Ziller
Uberto: Georg Lutz
Vespone: Till Blumenthal
Inszenierung: Steffen Seiferling
Kostüme: Monika Schöltzke
Eine Produktion der Musikschule Spandau
Gesangsklasse Lilly Wigger-Tuneh
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