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Grönland
Leben am Rande der Ökumene

105. Veranstaltung der HUMBOLDT-GESELLSCHAFT am 26.06.00 von Holger Kampmann (Gastvortrag)



Grönland ist zu weiten Teilen von einer 3000 Meter dicken Eisschicht, dem Inlandeis, zugedeckt. Diese Eisdecke zieht sich über 2600 Kilometer von Nord bis Süd sowie rund 650 Kilometer von Ost bis West und weist eine Fläche von 1,83 Millionen Quadratkilometern auf. Nur in der Antarktis ist die Eisdecke mächtiger. Das Inlandeis erreicht eine Höhe von 3200 Metern über dem Meer. Die Eisschicht ist jedoch bis 3500 Meter dick, da das Eis an gewissen Stellen unter die Höhe des Meeresspiegels reicht. Sollte diese Eiskappe abschmelzen, würde der Meeresspiegel global ansteigen. Das Inlandeis hat große Bedeutung für das Klima nicht nur in Grönland, sondern auch in Europa, denn es wirkt als Barriere auf die Luftströmungen der nördlichen Halbkugel.

Das Inlandeis wurde zum ersten Mal im Jahre 1888 vom norwegischen Polarforscher Fridtjof Nansen auf Skiern überquert, von Ammassalik an der Ostküste bis zur Westküste. Seitdem machten es ihm andere immer wieder nach: oft erfolgreich, manchmal aber auch mit tragischem Ende. Bekanntestes Beispiel ist vielleicht Alfred Wegener, der Begründer der Kontinentaldrifttheorie. Er führte zahlreiche Expeditionen sehr erfolgreich durch, fand aber auch auf dem grönländischen Inlandeis den Tod.

Vor mehr als zehn Millionen Jahren war Grönland (= grünes Land) eisfrei, ein Land mit Bergen und Ebenen. Später lag noch mehr Land unter der Eisdecke, als es heute der Fall ist. In der Entwicklungsgeschichte Grönlands wechselten sich immer wärmere und kältere Perioden ab. Das mächtige Inlandeis dient der Wissenschaft heute als Klimaarchiv. Über die Gaszusammensetzung eingeschlossener Luftblasen der in den über Jahrtausende abgelagerten Eisschichten lassen sich unter anderen auch Aussagen über die jeweilige Temperatur während der Eisentstehung treffen. Man kann so das Klima bis über 200000 Jahre zurück rekonstruieren. Dafür wurden Anfang der Neunziger Jahre mitten auf dem Inlandeis zwei Eiskerntiefbohrungen erfolgreich durch das gesamte Eispaket niedergebracht.

Das (EXTERN) europäische Bohrprogramm GRIP (Greenland Ice Core Programm) und

das (EXTERN) amerikanische GISP (Greenland Ice Sheet Project)

brachten für die letzten 100000 Jahre sogar eine nahezu lückenlose Chronik der Umwelt und Klimageschichte.

Die letzte Eiszeit liegt etwa 15000 Jahre zurück. Seither wird es langsam milder, die Gletscher gehen zurück, und die Meerestemperatur steigt. Entsprechend ist immer mehr Land eisfrei geworden. Immer mehr von den Nunatakken, den Bergen am Rande des Inlandeises, ist zum Vorschein gekommen. Im gleichen Zug nahm der Druck des schweren Inlandeises ab, das Land liegt heute bis zu zwanzig Meter höher (isostatische Ausgleichsbewegungen). Haben sich die ersten Inuit (= Mensch) vor rund 4000 Jahren noch am Meeresufer niedergelassen, findet man jetzt diese Wohnplätze in einer höheren Lage. Der schmale eisfreie Küstenstreifen ist im Maximum 200 Kilometer breit. Hier lebten die Inuit (und die Nordmänner) solange, bis eine neue Klimaverschlechterung das Überleben unmöglich machte. Insgesamt haben sechs Einwanderungen der Inuit stattgefunden.

Trotz der extremen Lebensbedingungen, trotz Kälte und Hunger lockte Grönland immer wieder Menschen an. Durch Jahrtausende haben Jäger und Fänger hier im ökologischen Einklang mit der arktischen Natur gelebt. Der Inuit muß sich nach den Naturbedingungen einrichten: Er braucht eine Bekleidung, die gegen Temperaturen von 50 Grad Celsius unter Null schützen kann. Er muß Häuser bauen, die Wärme und Schutz bieten und er muß Nahrung finden, die Kraft gibt, die Kälte zu überstehen. Diese liefert in erster Linie das nährstoff- und vitaminreiche Fleisch der Meerestiere: Insbesondere rohe Robbenleber und Mattak, eine Speckschicht direkt unter der Haut der Wale.

Mit Beginn der Kolonialzeit 1721 hat sich das Leben der Inuit stark verändert. Durch die Europäisierung sind sie andere Menschen geworden. Von vielen Ängsten sind sie befreit worden, vor allem vor der Sorge um das tägliche Überleben, was sie vielleicht mit geschwundenem Selbstvertrauen gebüßt haben.

Grönland heute hat landschaftlich nicht nur Eis, sondern z.B. auch phantastische Küstengebirge und eine artenreiche Vegetation zu bieten.

Holger Kampmann